Enigma by Robert Harris

Enigma by Robert Harris

Autor:Robert Harris
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-12-28T23:00:00+00:00


6.

Zum ersten Mal seit mehr als einem Monat war Jericho vollauf beschäftigt.

Er mußte das Kopieren des Kleinen Signalbuchs überwachen, sechs Exemplare, die auf Schreibmaschinen geschrieben und mit »Streng geheim« abgestempelt wurden. Jede Zeile mußte genauestens überprüft werden, denn ein einziger Fehler konnte den Unterschied zwischen einem erfolgreichen Eindringen und Tagen des Scheiterns bedeuten. Die Kontrolleure der aufgefangenen Funksprüche mußten ins Bild gesetzt werden. Per Fernschreiber mußten Weisungen an alle diensthabenden Offiziere der für Baracke 8 tätigen Horchstellen hinausgehen - von Thurso auf den Klippen am äußersten nördlichen Zipfel Schottlands bis hinunter nach St. Erith in der Nähe von Land´s End. Die Weisungen waren simpel: Konzentriert euch auf alles, was ihr über die bekannten Frequenzen der U- Boote im Atlantik habt, streicht jeden Urlaub, holt, wenn es sein muß, die Lahmen und die Kranken und die Blinden, und achtet noch mehr, als ihr es ohnehin schon tut, auf sämtliche kurzen Morsesignale, denen ein E vorausgeht - Punkt Punkt Strich Punkt Punkt -, der deutsche Prioritätscode, der die Frequenz für Meldungen von Kontakten mit Konvois freimachte. Kein derartiges Signal darf euch entgehen, verstanden? Kein einziges.

Aus der Registratur holte sich Jericho die entschlüsselten Shark-Meldungen der letzten drei Monate, um sich wieder an konzentriertes Arbeiten zu gewöhnen, und am gleichen Nachmittag saß er auf seinem alten Fensterplatz im Ballsaal und bewies anhand von Rechenschieberberechnungen, was er instinktiv bereits wußte - daß siebzehn Meldungen über Kontakte mit Konvois, im Laufe von vierundzwanzig Stunden aufgefangen, fünfundachtzig codierte Buchstaben liefern würden, die, wenn die Kryptoanalytiker das erforderliehe Quentchen Glück hatten, ihnen vielleicht - vielleicht - einen Einbruch in Shark ermöglichten, vorausgesetzt, sie bekamen zumindest zehn Bomben, die sie nacheinander einsetzen konnten und die mindestens sechsunddreißig Stunden für sie arbeiteten…

Und die ganze Zeit dachte er an Claire.

Im Grunde gab es kaum etwas, was er für sie tun konnte. Im Laufe des Tages schaffte er es zweimal, die Telefonzelle aufzusuchen, wo er versuchte, ihren Vater anzurufen: einmal, als sie alle zum Lunch gingen, wo es ihm, kurz vor dem Erreichen des Haupttors, gelang, unbemerkt von den anderen zurückzubleiben; und das zweitemal am späten Nachmittag, als er behauptete, er müsse sich die Beine vertreten. In beiden Fällen kam eine Verbindung zustande, aber das Telefon läutete nur, und niemand meldete sich. Er hatte ein unbestimmtes, durch seine Machtlosigkeit noch verstärktes Gefühl der Angst. Er konnte nicht noch einmal in Baracke 3 gehen. Er hatte nicht die Zeit, ihr Haus zu durchsuchen. Er wäre gern in sein Zimmer zurückgekehrt und hätte die aufgefangenen Funksprüche gerettet - hinter einem Bild auf dem Kaminsims versteckt; hatte er den Verstand verloren? -, aber der Weg hin und zurück hätte ihn mindestens zwanzig Minuten gekostet, und so viel Zeit hatte er nicht.

Wieder einmal war es lange nach sieben Uhr, als er endlich gehen konnte. Logie durchquerte den Ballsaal, blieb an Jerichos Tisch stehen und sagte, er solle um Gottes willen zusehen, daß er ein bißchen Schlaf bekäme. »Hier können wir nichts mehr tun, mein Bester. Außer warten. Ich nehme an, daß wir morgen um diese Zeit ins Schwitzen geraten werden.



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